Heinrich Seidel: Glockenspiel

V. HUMOR, BURLESKE UND SATIRE


FRÜHLINGSLIED

(In der Biedermeier-Weise.)

Frühling ist's, wie höchst erfreulich
Wirket dieser Tatbestand!
Dieses dacht' ich, als ich neulich
Ging spazieren auf das Land.
Lerchen singen wie zur Feier,
Blumen blühen roth und weiss,
Billiger sind schon die Eier,
Und die Butter sinkt im Preis!

Und bei all dem reichen Prangen
Wird das Herz so froh gesinnt,
Da so herrlich aufgegangen
Rüben und Kartoffeln sind
Ringsum wogen Saatenfelder
Und der Raps in Blüthe steht,
Der dem Landmann reiche Gelder
Bringet, wenn er wohl geräth.

Herrlich ist's im Wald zu gehen,
Wenn das Wachsthum in ihn fährt!
Ja, dann kann man förmlich sehen,
Wie sich sein Bestand vermehrt.
Und die schöne grüne Wiese!
Prächt'ges Futter wächst darin!
Sicher wohl gewährt auch diese
Einen hohen Reingewinn!

Schafe dort in woll'ger Hülle
Folgen still des Hirten Spur,
Mehrend ihres Fliesses Fülle
Für den grossen Tag der Schur.
Bunte, wohlgenährte Kühe.
Wandeln an dem grünen Hag,
Lohnend ihres Pflegers Mühe
Durch vermehrten Milchertrag.

Und so angenehm im Garten
Ist die holde Frühlingszeit,
Wo Gemüse aller Arten
Uns zum Wohlgeschmack gedeiht:
Wo die zarten Spargel schiessen,
Und Radieschen man gewinnt,
Welche köstlich zu geniessen
Und so leicht verdaulich sind.

Wahrlich, nicht genug zu preisen
Ist des holden Frühlings Macht!
Solches klärlich zu beweisen,
Hab' ich dieses Lied erdacht,
Das in süssen Melodeien
Mir aus meinem Busen sank,
Als zum ersten Mal im Freien
Heut ich wieder Kaffee trank!

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