Robert Reinick

Der Herbst als Färber

Da steigt der Herbst frisch von den Bergen nieder,
und wie er wandert durch den grünen Wald,
gefällt ihm nicht, daß überall das Laub dieselbe Farbe hat.
Er sagt: »Viel hübscher ist's rot und gelb, das sieht sich lustig an.«

So spricht er, und gleich färbt der Wald sich bunt. –
Und wie der Herbst drauf durch den Garten geht
und durch den Weinberg, spricht er:
»Was ist das? Der Sommer tat so groß mit seiner Hitze,
und Wein und Obst hat er nicht reif gemacht?

Schon gut, so zeig ich, daß ich's auch versteh!«
Und kaum gesagt, so haucht er Wein und Obst
mit seinem Atem an, und siehe da:
die Äpfel und die Pflaumen und die Trauben,
zusehends reifen sie voll Duft und Saft.

Drauf kommt der Herbst zur Stadt und sieht die Knaben
in ihrer Schule sitzen voller Fleiß.
Da ruft er ihnen zu, »Grüß Gott ihr Buben!
Heut ist Sankt-Michaelis-Tag, da gibt es
lange Ferien. Kommt zu mir auf's Land!

Ich hab dem Wald sein Laub schön bunt geblasen;
ich hab dem Apfel rot gefärbt die Backen;
ich will euch klar und blank die Augen wehen,
und Eure Backen will ich tüchtig bräunen,
wie sich's für Buben schickt. Versteht ihr mich?«

So spricht der Herbst und jubelnd ziehn die Knaben
auf seinen Ruf durch Berg und Wald und Feld
und kehren heim mit neuer Lust zur Arbeit.

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