Franz Werfel
Das ist November.
Jahrzeit der Mühlen,
Wind der schwarzen Frühmessen,
Friedhof,
Und Tausendnächtlichkeit
Der kindischen Lichtlein
Und ihre Angst.
Nun sind die Stapfen schwer
Im Straßensumpf.
Oh, wie wir atmen,
Wir armen Tiere!
Aber es errötet schon
Unser Ofenrost,
Wenn draußen das zweifelnd freie,
Verhöhnende Rabenvolk
Fährt über den Tod der Gottsbäume,
Über Schollen und schlotterndes Moor.
Nun sagt November:
Das ist eure Welt! –
Und schnaubt in den Rauch
Des schnaufenden Gauls,
Und schnaubt in den Qualm
Der qualvollen Erd'.
Nun tragen wir
Geheimnisvollen Strohkranz
Und Distelschmuck.
Nun vergessen wir euch,
Ihr Freunde, lieben Freunde,
Da unser Atem pilgert
Durch keuchenden Acheron.
Nebel zwischen Bergen und Wäldern,
Nebel
Zwischen unseren Häuptern, Freunde!
Vergessen unser Blick,
Und daß wir uns anrührten,
Und lachten bei den Wahrsagern,
Und tanzten unterm Kronenlicht,
Und abwärts stürzten
Im Abendprunk die Triumphfahrt!
Verloren die Lüge unserer Lust.
Da wir doch lügen mußten!
Es schärft sich der Tag.
Und streng wird die Nacht.
Arm sind wir und ohne Brot.
Niemand holt uns Wasser vom Brunnen.
In unserer innerlichen Stadt
Schon wächst das Spital.
Und die Irren
Keifen im kreischenden Garten.
Der Gott des alten Stroms
Benagt die Selbstmörder,
Wenn alle Dome brummen,
Doch die Dämonen,
Unsere unausweichlichen
Schutzengel, Schutzteufel,
Würfeln über den Häusern,
Raufen im Rauch,
Schlagen die Wolken-Schlacht.
Leis aber von unserem Fenster
Sinkt das trostlose Horn ab,
Des guten Hüters Horntreue,
Nächtlich ein schwacher Flug.
Dies sei uns aber gesagt,
Euch, die ihr mich vergaßet,
Mir, die ich euch vergaß!
Vergolten werden die Sünden.
Pünktlich, gerecht!!
Dies, Freunde, sehr großer Trost.
Denn hier ist ein Sinn.
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