Franz Werfel
Es ist November in der Welt.
Der Baum hebt nackt sein Krüppelbein.
Gebüsch bebt, bettelnd hingestellt.
Vereinsamt stiert der Meilenstein.
Frech wie ein Strolch auf brachem Feld
Die alte Vogelscheuche lungert.
Die Mutter schleppt sich querfeldein.
Das Kindlein friert, das Kindlein hungert.
So grau war noch November nie.
Die Mutter rastet auf dem Stein.
Das Kind liegt schlaff auf ihrem Knie.
Wie sie allein ist nichts allein.
Wohl besser wär's, es würde schnein,
Verschnein die Weiten und die Nähen.
Sie hebt den Kopf, sie hört ein Schrein,
Die Krähen kommen, hundert Krähen.
Das Volk rauscht durch die Luft und schlägt
Und taumelt um Marias Haupt.
Doch keine Kräh im Schnabel trägt
Ein Bröcklein, fluges wo geklaubt.
Nie war die Welt so ausgeraubt.
Die Krähen rings verzweifelt streichen,
Aus Feld und Bäumen, todentlaubt,
Der Mutter Speisung darzureichen.
Nicht Korn und Haselnuß gibt's mehr.
So kahl war kein November noch,
Und keine Nacht so liebeleer
Wie diese, die jetzt näherkroch.
Die Schwärze schlurft aus Schlucht und Loch.
Maria haucht, ihr Kind zu wärmen,
Und beugt sich tief, wenn immernoch
Die Krähn sie wahnsinnschrill umschwärmen.
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