Emanuel Geibel

An Georg Herwegh

Februar 1842

Es scholl dein Lied mir in das Ohr
So schwertesscharf, so glockentönig,
Als wär' aus seiner Gruft empor
Gewallt ein alter Dichterkönig.
Und doch! Ich weis' es nicht von mir,
Ich muß dich in die Schranken laden;
Komm an in voller Harnischzier,
Auf Tod und Leben Kampf mit dir,
Kampf, du Poet von Gottes Gnaden!

Bist du dir selber klar bewußt,
Daß deine Lieder Aufruhr läuten;
Daß jeglicher nach seiner Brust
Das Ärgste mag aus ihnen deuten?
Der Zwerg, der matte Pfeile schnitzt,
Wohl, – schieß' er, ohne fest zu zielen;
Doch wer vom Wetterlicht umblitzt
Im Donnerwagen grollend sitzt,
Der soll nicht mit den Zügeln spielen.

Fürwahr, ein Sämann schreitest du,
Der Samen streut, doch der Zerstörung;
Ein Glöckner, der aus ihrer Ruh'
Die Völker stürmt, doch zur Empörung.
Du willst die Flamme, die so rein
Und heilig strahlt durch alle Lande,
Du willst den warmen Gottesschein
Zur Fackel Herostrats entweihn
Und schwingst sie wild zum Tempelbrande.

Wozu sonst dieses Schwerterklirrn,
Die Kriege, die dein Lied gefodert,
Die hast'ge Glut, die durch dein Hirn
In tausend Funken prächtig lodert?
O nein! Das ist nicht deutsche Art!
Wohl kämpfen wir auch für das Neue;
Ums Freiheitsbanner dicht geschart,
So stehn auch wir; doch aufbewahrt
Aus alter Zeit blieb uns die Treue.

Verhaßt auch uns ist der Baschkir,
Der Unterjocher der Gedanken,
Und keinen Deut begehren wir
Von jenen übermüt'gen Franken.
Wir wollen auch, daß frei das Wort
Durch alle Lüfte möge fluten;
Es dünkt auch uns in Süd und Nord
Das Wort der beste Freiheitshort –
Doch soll darum dein Volk verbluten?

Nein! Glaub', der Tag ist bald erwacht,
Der Morgen naht, wo wir's erringen,
Nicht ohne Kampf, doch ohne Schlacht,
Der Geist ist stärker als die Klingen.
Geharnischt steht er auf dem Plan,
Er, der mit Luthern einst gefochten;
Durch tausend Lanzen bricht er Bahn,
Und mag die Hölle dräuend nahn:
Der Lorbeer bleibt ihm doch geflochten.

Drum tu dein Schwert an seinen Ort,
Wie Petrus tat, da er gesündigt;
Die Freiheit geht nicht auf aus Mord,
Blick nach Paris, das dir's verkündigt.
Vom Geist will sie gewonnen sein;
Doch wer ihr Kleid, so rein und heiter
Mit blut'gem Makel mag entweihn,
Und säng' er Engelsmelodein:
Der ist der Welt, nicht Gottes Streiter.

Ich sing' um keines Königs Gunst,
Es herrscht kein Fürst, wo ich geboren;
Ein freier Priester freier Kunst,
Hab' ich der Wahrheit nur geschworen.
Die werf' ich keck dir ins Gesicht,
Keck in die Flammen deines Branders;
Und ob die Welt den Stab mir bricht:
In Gottes Hand ist das Gericht;
Gott helfe mir! – Ich kann nicht anders.

Seitenanfang / top


amazon  Gedichtinterpretationen - Gedichtanalysen
audible-Hörbücher KOSTENLOS testen


Impressum - Datenschutz