Wilhelm Smets

Der Schelm von Bergen

Zu Frankfurt an dem Maine,
Da geht es lustig her,
Ist's Nachts beim Fackelscheine
Hell, als ob's Tagslicht wär'.

Und Jubel auf den Plätzen,
Und Freud' in jedem Haus,
Viel mannigfach Ergötzen
Bei Trinkgelag und Schmaus.

Und von dem Römer schallet
Trompeten- und Paukenton,
Der lust'ge Reigen wallet
Gar manche Stunde schon.

Denn, seht, es ward gekrönet
Ein deutscher König heut,
Darum die Stadt ertönet
Vom Jubel weit und breit.

Und wo im weiten Saale
Die Tänze rasch sich drehn.
Sind bei der Kerzen Strahle
Der Masken viel zu sehn.

Woran ein schlanker Ritter
Tanzt mit der Königin,
So leicht, wie Wellengezitter,
Durch den dröhnenden Ballsaal hin.

Sie tanzet stets vom Neuen,
Wie heiß sie auch erglüh':
»Wen kann solch Tanzen reuen?
Den Tänzer fand ich nie!«

Doch muß sie einmal enden
Des Tanzes Wellenspiel;
Der König thät sich wenden
Zu ihr mit Sorggefühl.

Da sprach sie zu dem Ritter,
Der von Gestalt so schön:
»Löst ab der Maske Gitter,
Eu'r Antlitz laßt mich sehn!«

Da wird er gar erschrocken,
Und neigt sich tief vor ihr,
Die raschen Worte stocken,
Er redet irr und wirr:

»O, nimmer dies begehre,
Du hohe Königin!
Mein Leben und deine Ehre,
Wohl Beides wär' dahin!«

»Ich beschwör' dich beim heutigen Tage«,
Die Königin zu ihm sagt,
»Wer bist du, Ritter, sage,
Und wär'st in Bann und Acht!«

Da kniet der Tänzer nieder,
Und spricht, erblaßt, dies Wort:
»Begehret dies nicht wieder,
Mich entrafft der Tod sofort!«

Und Alle rings erstaunen;
Der König zu ihm spricht:
»Laßt draußen, Herr, die Launen,
Und zeigt uns eu'r ehrlich Gesicht!«

Da will er's nicht länger bergen,
Und steht entlarvt auf einmal:
O weh! der Scharfrichter von Bergen!
Durchdröhnt es den räumigen Saal.

Der König ruft: »Entsetzlich!
Die Königin ist entehrt!
Unehrlicher, gesetzlich
Sei dir der Tod beschert!«

Da fällt ihm der Tänzer zu Füßen,
Spricht mit gewandtem Sinn:
»Mag's gern mit dem Tode büßen.
Doch entehrt blieb' die Königin.

Drum, Majestät, in Gnaden
Hört gern auf meine List,
Wie unser beider Schaden
Schnell abzuhelfen ist.

Zieht aus der goldnen Scheide
Den Degen blank und flach,
Und gebt im Ritterkleide
Mir auch den Ritterschlag.

Wer dann die Königin schmähet,
Den fordert wohl mein Schwert,
Der Ritter für sie stehet,
Und war des Tanzes Werth.«

»Du Schalk! die Schmach zu bergen,
Empfange Schild und Helm,
Doch heißt du Schelm von Bergen,
Just, weil du ein solcher Schelm!«

So spricht der König und ziehet
Den Degen zum Ritterschlag;
Und der unehrliche Tänzer knieet,
Und wird ehrlich denselben Tag.


siehe auch

  • Heinrich Heine: Der Schelm von Bergen
  • Karl Simrock: Der Schelm von Bergen
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